Im Juni dieses Jahres war es so weit, die nationale Wasserstoffstrategie wurde präsentiert. Viele Länder in Europa hatten schon eine eigene Strategie für diesen hochenergetischen Energieträger, auch die Europäische Union. Jetzt braucht es in Österreich ein rasches Tempo für ein Hochfahren einer nationalen Wasserstoffwirtschaft.
Die Österreichische Wasserstoffstrategie gemeinsam mit Finanzminister Magnus Brunner. Förderungen und gute rechtliche Rahmenbedingungen sind für das Hochfahren einer nationalen Wasserstoffwirtschaft wesentlich.
Die Österreichische Wasserstoffstrategie legt zentral fest, dass wir in Zukunft nur Wasserstoff aus erneuerbaren Quellen bzw. aus klimaneutraler Erzeugung verwenden wollen. Dieser erneuerbare Wasserstoff soll jedoch fokussiert und zielgerichtet eingesetzt werden, denn er steht (noch) nicht in großen Mengen in Europa zur Verfügung. Deshalb sollen zunächst jene Sektoren priorisiert werden, die besonders schwer zu dekarbonisieren sind und keine alternativen Dekarbonisierungspfade – beispielsweise durch Elektrifizierung – zulassen. Das sind vor allem stoffliche und energetische Anwendungen in der energieintensiven Industrie sowie in speziellen, schwer elektrifizierbaren Bereichen der Mobilität, wie im Flug- und Schiffsverkehr. Des Weiteren eignet sich der erzeugte Erneuerbare Wasserstoff auch als Speichermedium von Energie, der aus Erneuerbaren Energien wie Sonnen- und Windstrom produziert wird. Da kann der Wasserstoff auch eine wesentliche Stütze für die zukünftige Energiesicherheit darstellen.
Der Photovoltaikausbau wird in den nächsten Jahren in Österreich stark zunehmen. Aus Überschusskapazitäten lassen sich große Mengen Wasserstoff mit Hilfe von Elektrolyseuren produzieren.
Wichtige Fakten zum Thema Wasserstoff und die Österreichische Wasserstoffstrategie:
Vorkommen und Produktion
Heimischer erneuerbarer Wasserstoff kann durch die Elektrolyse mit erneuerbarem Strom produziert werden. Hier wird unter Einwirkung von Strom Wasser in seine Bestandteile Wasserstoff und Sauerstoff gespalten. Damit können gasförmige Energieträger mit Hilfe von Strom produziert werden. Gegenwärtig ist jedoch die mit Abstand häufigste Methode der Wasserstoffsynthese die Methan-Dampfreformierung, bei der Erdgas unter Ausstoß von CO2 zu Wasserstoff verarbeitet wird. Diese Methode soll zukünftig durch die klimafreundliche und erneuerbare Elektrolyse ersetzt werden.
In der südsteirischen Gemeinde Gabersdorf steht jetzt eine Anlage, wo aus erneuerbarem Strom grüner Wasserstoff und synthetisches grünes Methan erzeugt wird. © Projektteam-Renewable-Gasfield
Anwendung von Wasserstoff
Wasserstoff ist ein vielseitiger Energieträger, der in einer Brennstoffzelle Strom produzieren oder in Verbrennungsmotoren hohe Temperaturen generieren kann. Als chemischer Ausgangstoff ist Wasserstoff in der Industrie ein unerlässliches und weit verbreitetes Zwischenprodukt und als Energiespeicher geeignet. Für eine künftige klimaneutrale Energieversorgung stellt Wasserstoff ein wichtiger Eckpfeiler dar.
Die Österreichische Wasserstoffstrategie sieht vor, dass wir diesen wertvollen Stoff nur gezielt und effizient einsetzen sollen. Bild: BMK
Europäische und internationale Rahmenbedingungen
Seit 2020 gibt es die „Wasserstoffstrategie für ein klimaneutrales Europa“. Sie beinhaltet ambitionierte Ziele für Produktion von erneuerbarem Wasserstoff und schlägt Maßnahmen für Investitionen, Regulierung und Aufbau eines Binnenmarktes vor. So sollen bis 2030 10 Mio. Tonnen erneuerbarer Wasserstoff produziert werden bzw. 40 GW Elektrolysekapazität zur Verfügung stehen. Daneben wurde im März der Entschluss gefasst, den Einsatz bis 2030 zusätzlich zu erhöhen. Dadurch sollen bis 2030 zusätzlich zu den Zielmengen der Europäischen Wasserstoffstrategie weitere 15 Mio. Tonnen erneuerbarer Wasserstoff in Europa eingesetzt werden, davon 5 Mio. Tonnen in Europa produziert und 10 Mio. Tonnen aus Drittstatten importiert werden. Hier ist Österreich auch ein aktiver Player im europäischen Kontext. So nimmt Österreich im Rahmen des Aufbaus einer EU-weiten Wasserstoffwertschöpfungskette an den ersten Important Projects of Commen European Interest (IPCEI) für die Wertschöpfungskette Wasserstoff mit einem Budget von 125 Mio. Euro bis 2026 teil. Auch international ist unser Land aktiver Partner im Bereich des Wasserstoffs. So sind wir Mitglied des von Japan initiierten Hydrogen Energy Ministerial. International setzten wir uns für Regulierungen und Standards im Handel von Wasserstoff ein. Davon wird auch unsere heimische Industrie profitieren.
Zielsetzungen
Bis 2030 soll der Wasserstoff, der in Österreich verwendet wird, zu 100% aus erneuerbarem Wasserstoff bestehen, also aus Wasserstoff, der bei seiner Produktion kein CO2 verursacht. Dafür soll bis 2030 der Aufbau von einem GW Elektrolysekapazität gewährleistet werden. Damit könnte man den aktuellen industriellen Bedarf an Wasserstoff in Österreich decken. Zukünftig soll der Aufbau eines 100% Erneuerbaren Energiesystems in Österreich gelingen, wo die Wasserstoffproduktion durch Elektrolyse als integraler Bestandteil des Energiesystems darstellen wird. Mit dieser Zielsetzung kann Österreich international eine Vorreiterrolle einnehmen. Diese erhebliche Exportpotentiale dieser Zukunftstechnologien werden auch unseren Wirtschaftsstandort nachhaltig stärken und für neue Wertschöpfung bzw. Arbeitsplätze sorgen.
Der zukünftige Bedarf
Der Bedarf von Gas in Zukunft hängt von verschiedenen Faktoren ab. Nichtsdestotrotz wird Wasserstoff eine wichtige Rolle für die klimaneutrale Energieversorgung einnehmen. Foto: BMK
Der aktuelle Inlandsgasverbrauch in Österreich beläuft sich auf 100 TWh Erdgas. Dieser Bedarf könnte man bis 2040 nicht komplett durch aus national produzierten Biogasen ersetzen. Nach aktuellen Schätzungen geht man davon aus, dass wir in Österreich bis 2040 rund 20 TWh erneuerbares Methan aus biogenen Reststoffen erzeugen werden können. Also mit Biogas bzw. Biomehtan alleine werden wir den Bedarf an Gas nicht decken können, weshalb jedenfalls der Einsatz von wasserstoffbasierten Energieträgern notwendig sein wird. So müssen wir daher jetzt in den Ausbau investieren.
Wasserstoff in der Industrie
Besonders in der energieintensiven Industrie wird Wasserstoff in Zukunft eine große Rolle spielen. Der Bedarf wird daher in Österreich besonders groß sein.
Für die Erreichung der Klimaziele und zur Minderung der Abhängigkeit von Erdgas wird man künftig Wasserstoff in der energieintensiven Industrie als Grundstoff sowie als gasförmiger Energieträger in großen Mengen benötigen - sei es für die Herstellung von Ammoniak oder von Methanol in der chemischen Industrie oder sei es als Energieträger für die Eisen- und Stahlerzeugung. Auch als Energieträger in anderen Bereichen der Industrie, wie in der Zement-, Glas-, Metall- und Papierindustrie werden wir in Zukunft einen hohen Bedarf an Wasserstoff haben.
Deshalb muss man besonders hier die Transformation der Wirtschaft ansetzen und schon jetzt die passenden Rahmenbedingen für unsere Betriebe schaffen. Neben der internationalen Kooperation, sind wir auch hier im Inland gefordert. Da setzten wir jetzt schon in einem ersten Schritt Pilot- und Demonstrationsprojekte um, den Transformationsprozess beschleunigen zu können. Als Beispiel kann die Wasserstofferzeugungsanlage in Gabersdorf gelten, die jetzt schon Wasserstoff für die Wolfram Bergabu- und Hütten AG in St. Martin im Sulmtal produziert.
Des Weiteren müssen auch die gesetzlichen Rahmenbedingungen adaptiert werden, damit der Einsatz von Wasserstoff in der Industrie begünstigt wrid. Vor allem zu Beginn der Transformation wird Wasserstoff ein knappes und im Vergleich zu Erdgas eher ein teures Gut sein. Um das Hochfahren der Wasserstoffproduktion bestmöglich gewährleisten zu können, braucht es neue Instrumente der Betriebskostenunterstützung für Wasserstoff, aber auch neue Investitionsanreize für Betriebe, die eine frühzeitige Markteinführung erleichtern.
Gleichzeitig werden auch Importe aus Drittstaaten notwendig sein. Dazu sind internationale Kooperationspartnerschaften wichtig, die wir auch seit Jahren pflegen.
Wasserstoff in der Mobilität
Auch in der Mobilität wird man in Zukunft in gewissen Bereichen auf Wasserstoff setzen müssen, besonders in jenen, wo die Batterie keine Lösung zur Dekarbonisierung darstellen wird. Hier ist vor allem die Luft- und Schifffahrt betroffen. Hier können neben der direkten Nutzung von Wasserstoff flüssige synthetische Kraftstoffe (E-Fuels) eine wichtige Option darstellen. Auch für die Schifffahrt wird man diese Kraftstoffe auch in Zukunft brauchen. Für die Produktion wird man auch erneuerbaren Wasserstoff benötigen. Deshalb ist es auch hier notwendig, günstige Rahmenbedinungen für eine nationale Produktion zu schaffen.
Mit Wasserstoff in der Region unterwegs sein - mit dem Wasserstoff-Taxi ist dies bereits Realität
Marktentwicklung und Wettbewerbsfähigkeit von Wasserstoff
Jene Kosten, die mit einer Umstellung auf den Betrieb von Wasserstofftechnologien verbunden sind, zählen zu den zentralen Herausforderungen für eine rasche und strategische Einbettung von klimaneutralem Wasserstoff in das Energiesystem. Um die Herausforderungen bewältigen zu können, bedarf es Förderungen und gute Rahmenbedingungen:
In einem ersten Schritt unterstützen Investitionsförderungen wirtschaftliche Anwendungsfälle rasch. In der Phase des Markthochlaufs ist es ebenso wichtig, Projektwerberinnen und Projektwerber mit harmonisierten Widmungsprozessen und reibungslosen Projektgenehmigungsverfahren zu unterstützen, aber auch durch eine Senkung von Steuern, Abgaben, Entgelten und Umlagen auf die bezogene erneuerbare Energie Investitionen zu in diesem Bereich zu erleichtern. Dazu wurden schon unter anderem im Erneuerbaren-Ausbau-Gesetzes Elektrolyseanalgen, die mit erneuerbaren Energien betrieben werden, für die Dekarbonisierung von Prozessen im Markthochlauf von stromseitigen Endverbraucherentgelten und –umlagen befreit.
Ein wesentlicher Aspekt ist auch die Einführung eines EU-weiten Herkunftsnachweis- und Zertifizierungssystems für erneuerbaren Wasserstoffes, damit in diesem Bereich auch Sicherheit und Transparenz herrscht.
Bis 2023 ist ein Aufbau von einem 1 GW Elektrolyse-Kapazität in Österreich laut der nationalen Wasserstoffstrategie vorgesehen. Mit einem Ausgabenmultiplikator von 0,39 für Investitionen in Elektrolyseanlagen, liegt der im Inland wertschöpfungswirksame Anteil der Investitionen in einem vergleichbaren Bereich wie bei Investitionen in Photovoltaik und Windkraftanlagen. Der errechnete Wertschöpfungsmultiplikator von 1,93 gibt an, dass 1 Euro an Wertschöpfung, ausgelöst unmittelbar durch die Errichtung eines Elektrolyseurs, zu weiteren 0,93 Euro Wertschöpfung in anderen Sektoren in Österreich führt.
Umsetzung der Wasserstoffstrategie
Zeitnaher Markthochlauf mittels Vorzeigeprojekten
Mit Vorzeigeprojekten wollen wir den Kompetenzaufbau in Sachen Wasserstoff in Österreich gewährleisten. Hier bedarf es jedoch zu Beginn eine breite Palette an Förderungen, um das Hochfahren einer österreichischen Wasserstoffwirtschaft finanzieren zu können. Denn am Anfang wird die Produktion von Wasserstoff aufwendig und teuer sein. Erst nach einer Phase der Weiterentwicklung, der Etablierung verschiedener Produktionsstätten im Inland und eines breiten Einsatzes des hochenergetischen Stoffes in der Industrie werden sich die Kosten für Investitionen spürbar senken und die Wirtschaftlichkeit dieser Anlagen massiv erhöhen. Hierfür stehen jetzt 24 verschiedene Förderprogramme in Österreich zur Verfügung. Die größte Förderschiene stammt aus dem IPCEI-Programm (International Projects of Common European Interest). Bis 2026 investieren wir mit diesem Programm 125 Mio. Euro für das Hochlaufen der Wasserstoffindustrie in Österreich. Auch im Rahmen des Erneuerbaren Ausbau Gesetz (EAG) stehen hier Förderungen für Wasserstoff bereit, unter anderem Investitionsförderungen für Elektrolyse- und Biomethananlagen zur Erreichung des notwendigen Anteils erneuerbarer Gase bis 2030 im Ausmaß von 80 Mio. EUR pro Jahr.
Aber nicht nur die Förderungen sind wichtig, auch die Rahmenbedingungen für den Einsatz von Wasserstoff müssen geändert werden. Schnellere Verfahren für den Ausbau der Erneuerbaren werden wir Österreich in den kommenden Jahren brauchen. Denn für die Produktion von günstigem Erneuerbaren Wasserstoff werden wir viel Strom aus Sonne, Wind und Wasser brauchen. Deshalb sind gesetzliche Änderungen im UVP-Verfahren jetzt gefragt. Des Weiteren empfiehlt die Wasserstoffstrategie die Senkung von Entgelten und Steuern bei der Benutzung von erneuerbarem Wasserstoff. Der Einsatz von Wasserstoff soll damit gegenüber dem Verbrauch von fossilen Energieträgern begünstigt werden. Unternehmen, die ihre Betriebe auf Wasserstoff umrüsten, brauchen Sicherheit, dass ihre Investitionen lohnen.
Infrastruktur schaffen – Importe ermöglichen
Für eine funktionierende Wasserstoffversorgung braucht es auch eine gute Netzinfrastruktur in unserem Land, aber auch eine gute Infrastruktur für Wasserstoffimporte aus dem europäischen Ausland sowie aus Drittstaaten. Deshalb empfiehlt die Wasserstoffstrategie eine Erstellung einer umfassenden Studie zur Rolle der Gasinfrastruktur in einem klimaneutralen Österreich 2040 und eines Fahrplans für Adaptierungen von reinen Erdgasleitungen zu Wasserstoffleitungen und bedarfsorientierter Bau von Wasserstoffleitungen.
Aber nicht nur die angepassten Netze sind für eine hohe Versorgung von Wasserstoff notwendig, sondern auch Importe aus dem Ausland. Auch in Zukunft werden wir auf Importe von Energie angewiesen sein. Hier sind die jetzt schon vereinbarten internationalen Kooperationen eine gute Basis für die Importe der Zukunft.
Forschung in allen Feldern voranbringen
Sei es die Weiterentwicklung von Wasserstofftechnologien, die Weiterführung der E-Mobilitätsoffensive vor allem Bereich des LKWs und der Busse oder sei es die Stärkung der Bewusstseinsbildung von Wasserstoff in der Industrie – in all diesen Bereichen braucht es in den kommenden Jahren einen kräftigen Schub, damit das Potential des Wasserstoffs in Zukunft voll genutzt werden kann.
Gründung der Wasserstoff-Plattform H2Austria
Die Österreichische Wasserstoffstrategie sieht die Gründung einer Wasserstoff-Plattform vor, damit ein Dialog zwischen den wichtigsten Akteuren in diesem Feld gewährleistet werden kann. Dis dato befindet sich diese Plattform im Aufbau.
Die Zeit drängt
Der Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine führt uns alle vor alle Augen, wie abhängig Europa von fossilen Energieimporten noch heute ist. Hier muss Europa rasch Alternativen aufbauen, die gleichzeitig mit dem Klimaschutz vereinbar sind. Wasserstoff aus erneuerbarer Erzeugung ist die Alternative für viele Bereiche in der Industrie, aber auch in der Mobilität, die bis dato auf fossilen Energien allein angewiesen sind. Gerade deshalb ist hier rasches Handeln von allen Seiten geboten und auch notwendig. Die Wasserstoffstrategie ist ein Anfang. Jetzt müssen wir auch die Rahmenbedingen wie schnellere UVP-Verfahren ändern. Des Weiteren sind auch unsere internationale Kooperationen ausbaufähig. Österreich ist leider zur Zeit weit davon entfernt, auch nur im Vergleichsmaßstab 1:10 mit den deutschen internationalen Aktivitäten mitzuhalten. Ganz Europa wird auf Importe angewiesen sein, denn in Zukunft werden wir eine große Menge an erneuerbarem Wasserstoff für die Industrie und die Mobilität brauchen.
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